Ein Zwiegespräch über moderne Kunstrichtungen
Arp. Sie wollen mich, Verehrtester, also in die neue Kunst einweihen ! Dies habe ich umso nötiger, als scheints wieder eine Umtaufe stattgefunden hat. Abstrakt ist konkret geworden, ein Sprung ins Gegenteil - ein neuer Beweis der Wendigkeit. Doch zuvörderst möchte ich fragen, wie kommt eigentlich eine Kunstrichtung dazu, sich mit der hier üblichen Ausschließlichkeit als die neue Kunst zu bezeichnen? Die traditionellen künstlerischen Äußerungs¬
formen sind für mich ebenso neu, insofern als sie ebenfalls heute neu entstehen und das Signum der Zeit offensichtlich an sich tragen. Ich protestiere schon jetzt gegen die verwirrten Grund¬
begriffe.
Bill. Das ist es ja eben ! Eine Ausstellung ist eine Gelegenheit zum
Sehen- und Verstehenlernen. Ich gebe zu, daß manche Manifeste der neuen Richtungen verwirrend sind. Aber Sie werden doch nicht leugnen, daß ein Mondrian neben einem Matisse die Uberzeugung erwecken muß, der Holländer vertrete eine neuere Richtung.
Neu heißt hier soviel wie neuartig, noch nie gesehen, neue Grund¬ lagen ausdenkend, auf neuem Boden stehend.
A. Gut - ich billige diese Erklärung - nur bringt sie mich und meines¬ gleichen dem Kardinalproblem nicht näher, ob diese neuen Aus¬ drucksformen überhaupt Kunst seien. Wenn man sich so weit von der Tradition entfernt, so sind doch Irrwege immerhin denkbar. Wir sind sozusagen seit Jahrtausenden gewöhnt, in der Kunst eine Vergeistigung zu sehen, die sich innerhalb gewisser Grenzen abspielt. Mir scheint hier eine radikale Austreibung jeglichen Geistes stattzufinden, an der allein echt modern ist, daß man alle Brücken hinter sich abbricht. Ich sehe in dieser maßlosen Anhäufung von Problematik nichts anderes, als eine Zumutung, die zu weit geht.
B. Sie geht weit, aber es ist doch die Frage, wer eigentlich die Kunst machen soll, der Künstler allein, oder der Künstler mit der vorher
eingeholten Zustimmung des Publikums. Neue Richtungen stan¬ den immer im Kampf mit dem Publikum, je kühner sie waren, desto härter war das Ringen, und das Revolutionäre ist das Lebens element der Kunst.
A. Dies kann ich nicht in der Kunstgeschichte bestätigt finden. Wir
tun heute vielfach dergleichen, als ob die ganze Kunstentwick¬ lung aus verbannten van Goghs bestanden habe, die erst von späteren Generationen verstanden worden seien. In der Renaissance zum Beispiel -
B. Schweifen wir doch nicht in allzu ferne Zeiten ab, die eine Einheit¬ lichkeit der Kultur kannten, von der heutzutage keine Rede mehr sein kann, ich sehe, Ihnen ist schwer beizukommen, und so will ich Sie auch nicht mit meinen eigenen Meinungen beglücken. Hören wir aber einen der großen Kunstpropagatoren unserer Zeit, Alfred Lichtwark, was er über das Kunsturteii sagt: «Man pflegt zu meinen, daß das Kunsturteil in der Anwendung von Erfahrun¬ gen und Regeln, die aus den schon vorhandenen Kunstwerken gewonnen sind, auf die werdende oder eben neu gewordene Kunst besteht. In der Tat lassen sich die allermeisten fehlerhaften Urteile darauf zurückführen, daß vom Neuen eine Wiederholung des Alten erwartet wird.
Das Publikum beurteilte werdende Dinge nach seiner historischen Erfahrung und Gewöhnung und hatte erst zu lernen, daß das Urteil über die Mitwelt auf der Fähigkeit beruht, die neuen Qualitäten des im Entstehen Begriffenen oder des eben Entstandenen vorurteilslos zu erkennen und anzuerkennen, auch wo es der Gewöhnung widerstrebt. Gültiges Urteil kommt fast nur bei starken Charakteren vor, weil es persönlichen Mut voraussetzt. Der Schwä¬ chere kann wedereine Situation noch eine Sache beurteilen.
Auch ohne die Kraft der Liebe und Sympathie ist Urteil nicht möglich, namentlich über Werke der Kunst nicht, denn sie sind Erzeugnisse einer liebenden Seele und können nur von der Liebe erkannt werden. Haß dagegen hat überhaupt kein Urteil. Er bringt es, wie der bloße Verstand, in künstlerischen Dingen nicht über die negative Kritik hinaus.»
A. Mich nimmt Wunder, was Ihr Gewährsmann sagen würde, wenn er sähe, auf was für Dinge Sie seine Leitsätze anwenden wollen ! Sind diese kalten Konstruktionen, sie mögen nun vielleicht interessant sein, etwa «Erzeugnisse einer liebenden Seele»?
B. Man darf es nicht bezweifeln, daß ein Künstler oder meinetwegen ein künstlerischer Konstrukteur sein Werk liebt und er hat ein Recht darauf, es als ein Produkt seiner Seele anzusehen. Die Neu¬ artigkeit oder Schwerverständlichkeit kann, genau genommen, nicht gegen die Qualität und Innerlichkeit eines Kunstwerkes sprechen.
A. Ich lese in den Manifesten der Moderne, daß diese Leute freie
Schöpfer sein wollen und nicht Nachschöpfer nach dem Natur¬ vorbild. Das soll doch wohl heißen, daß die ganze bisherige Kunst¬ geschichte aus Schöpfern zweiten Ranges bestanden habe, die die wahre Freiheit der Kunst noch nicht entdeckt hätten - welche Vermessenheit! Auch lese ich ebenda, daß die neue Richtung sich rühmt, in ihrer Wirkung nicht bei dem einzelnen Kunstwerk stehen zu bleiben, sondern daß sie schöpferisch weiterzeuge bis in die Dinge des Alltags - Architektur, Wohnbedarf, Kino, Re¬ klame, Typographie usw. - abermals Vermessenheit ! Als ob man nicht in jedem simplen Stuhl oder Handgerät früherer Epochen seine nationale und zeitliche Zugehörigkeit zu einem Stil erkennen könnte. Nein - ich sehe da überall viel Prätention und die stil¬ bildende Kraft scheint in dem Verzicht auf jeglichen Stil zu be-
B, Denken Sie an Lichtwark. Wie leicht ist es, über längst erkannte Werte zu reden und ihre durch lange Selektion gesicherte Position zu umschreiben. In dieser neuen, aufstrebenden Kunstrich¬ tung ist bei näherem Zusehen viel Unternehmungsgeist und Idealismus zu entdecken. Bedenken Sie vor allem, daß diese Künstler sich's nicht leicht machen. Sie haben schwer zu kämpfen und befinden sich in einer Lage, die jeden Tag neu verteidigt wer¬ den muß - gegen Vorurteil und Mißtrauen.
A. Ich fürchte, Sie werden mich auch mit den besten Gründen nicht umstimmen können. Ich will nicht sagen, daß in der Beschäfti¬ gung mit Kunst nur ein Genuß anzustreben sei, aber ich sehe doch in der Kunst eine für uns reichgedeckte Tafel, an der ich im gei¬ stigen Sinne essen möchte und nicht Nadeln schlucken. Vielleicht gehöre ich zu den ewig Gestrigen -ja, ich fühle mich auch wirklich viel gestriger als heutig, und ich schäme mich dessen nicht. Das Gestrige stellt im Reich der Kunst eine ungeheure Macht dar, eine unabsehbare Menge durch Jahrtausende angehäufter Köstlich¬ keiten. Neben diesen Dingen wiegt mir alles heutige leicht, ob konkret oder abstrakt.
B. Ich sehe, daß wir nun zum Wesentlichen kommen, was meistens zu roten Köpfen führt. Eine quasi soziale Frage. Sollen wir uns an Dante, Giotto, Raffael, Tizian, Rembrandt, Bach, Goethe, Beethoven und Delacroix berauschen und das was um uns geschieht, auf sich beruhen lassen? Es ist, entschuldigen Sie meine Offen¬ heit, zunächst eine Sache des Gewissens, ob man sich in die Vergangenheit abwenden will. Die Künstler der modernen Richtung leben unter uns. Sie sind eines Tages von der Überzeugung ergriffen worden, ihre Ausdrucksweise ändern zu sollen, wohl wis¬ send, daß damit ihr Weg nicht leichter werde. Jeder von uns hat in seiner nächsten Umgebung solche Wandlungen miterlebt. Nun wäre es doch eine allzu simple Erklärung für solche Tatsachen, daß diese Künstler einer Mode nachliefen. So kann und darf man nicht über Künstler denken. Gewiß, es gibt unter ihnen allerhand
Geistes Kinder, auch Nachahmer und Langweiler und Wichtig¬ tuer, wie bei ihren blinden Anbetern auch unerträgliche Snobs und auf die Nerven gehende Prädikanten zu treffen sind. Aber wir halten uns, wie bei der andern Richtung, an die bessere Hälfte und sehen da auf das Edle und Feine der geistigen Haltung, die durch ihre Tatkraft und Konsequenz imponiert.
A. Welch' schöne Botschaft! Doch ist die Skepsis nicht leicht zu bändigen. Sie scheinen mir allem nach ein ziemlich überzeugter Anhänger zu sein ?
B. Das kann ich nicht behaupten, aber ich bin immerhin ein interessierter Betrachter. Ich sehe in den letzten Jahren wenig wirklich Lebendiges entstehen, viele Träger des Neuen sind hinwegge¬ storben und der Krieg erschwert die für die Avantgarde so wichtigen Austauschbeziehungen zwischen Ländern und Erdteilen. Umso wichtiger ist für die einzelnen Künstler und Kunstfreunde der Zusammenschluß und die Erhaltung des Erreichten, bis wieder bessere Zeiten kommen.
Die Ausstellung des Kunstvereins erweckt meine Begierde zur Auseinandersetzung. Sie ist klar im Aufbau und bringt neben schon Bekanntem viel Neues. Am meisten bin ich gespannt Mondrians Werke und Arps neue Schöpfungen zu betrachten und wie sich die Arbeiten unserer Schweizer dazu verhalten.
A. Ich will mir Mühe geben, mich mit der freiwilligen Verarmung ab¬
zufinden.
B. Das ist schon wieder eines Ihrer vorschnellen Urteile ! Haben Sie
die Güte, sich die Ausstellung ohne vorgefaßte Meinung anzu¬ sehen, kommen Sie öfters wieder, denn Ihr Urteil hat erst dann Gewicht, wenn Sie viele dieser Schöpfungen mit Sorgfalt betrachtet und die plastischen Werke mit häufigem Wechsel des Standpunktes umwandert haben. Denken Sie nicht immer an frü¬ here Zeiten, die zugegebenermaßen glücklicher gewesen sind als unsere, und verbannen Sie für diesmal Ihren Hang zu romantisch¬ idyllischem Schwelgen.
ein Standpunkt
konkrete kunst nennen wir diejenigen kunstwerke, die auf grund ihrer ureigenen mittel und gesetzmäßigkeiten, ohne äußerliche aniehnung an die naturerscheinung, also nicht durch «abstraktion» entstanden sind .
konkrete kunst ist die gestaltung von optisch wahrnehmbaren, zu dessen realisierung die färbe, der räum, das licht und die bewegung die Voraussetzungen enthalten . durch die beziehungen dieser elemente und durch ihre formung auf grund einer rein geistigen, schöpferischen konzeption, entstehen faßbare werke . vorher nur in der Vorstellung bestehende «bilder» werden realisiert und in konkreter form vermittelt, die konkrete kunst ist etwas in ihrer eigenart selbständiges, sie hat eine gleichwertige existenz neben der naturerscheinung. sie soll deraus- druck des menschlichen geistes sein, für den menschlichen geist bestimmt, und sie sei von jener schärfe und eindeutigkeit, von jener Voll¬ kommenheit, wie dies von werken des menschlichen geistes erwartet werden kann.
eine der verschiedenartigen ausdrucksformen der konkreten kunst ist eine konstruktive kunst . und ihr eigentliches merkmal ist es, daß sie exaktes zu vermitteln sucht, daß sie sich nicht damit zufrieden gibt eine auswahl zu treffen unter den vielen individuellen ausdrucks- möglichkeiten, sondern, daß sie an stelle der überschäumenden naturerscheinung, oderan stelle von vorwiegend persönlich-psychischen Vorgängen, das harmonische gesetz stellt . in diesem sinne stellt sich die konkrete kunst aktiv zum Zeitgeschehen, sie strebt nach gesetz, Vorbild, Ordnung und harmonie . sie strebt zu absoluter klar- heit, zur gesetzmäßigkeit und damitzur realität selbst . aber es ist dies ihrer innersten natu r gemäß, eine realität die sich weniger des materiellen, denn des geistigen annimmt, aus der erkenntnis heraus, daß der menschliche geist der ruhe bedürfe, der Ordnung und richtung innerhalb bestimmter regeln . so ist die konkrete kunst in ihrer letzten konsequenz der reine ausdruck von harmonischem maß und gesetz , sie setzt Systeme, ordnet diese und gibt mit künstlerischen mittein diesen Ordnungen das leben. sie ist real und geistig, unnaturalistisch und dennoch naturnah. sie strebt nach dem universellen, und pflegt dennoch das einmalige, sie drängt das individualistische zurück, zu gunsten des individuums.
max bill.
nous ne voulons pas copier la nature. nous ne voulons pas reproduire nous voulons produire. nous voulons produire comme une plante qui produit un fruit et ne pas reproduire. nous voulons produire directement et non par le truchement.
comme il n'ya pas la moindre trace d'abstraction dans cet art nous le nommons art concret.
les oeuvres de l'art concret ne devraient plus être signées par leurs auteurs. ces peintures, ces sculptures - ces objets - devaient rester anonymes dans le grand atelier de la nature comme les nuages, les montagnes, les mers, les animaux, les hommes. oui ! les hommes devraient rentrer dans nature ! les artistes devraient travailler en communauté comme les artistes du moyen-âge. en 1915 o. van rées, c. van rees, freundlich, s. taeuber et moi-même avons fait une tentative de ce genre.
j'écrivais en 1915 : " ces oeuvres sont construites avec des lignes, des surfaces, des formes et des couleurs qui cherchent à atteindre par delà l'humain, l'infini et l'éternel. elles renient notre égoïsme... les mains de nos frères, au lieu de nous servir comme nos propres mains, sont devenus des mains ennemies. au lieu de l'anonymat, il y a la célébrité et le chef-d'oeuvre ; la sagesse est morte... reproduire c'est imiter, jouer la comédie, danser sur la corde raide."
la renaissance a exalté orgueilleusement la raison humaine. les temps nouveaux, avec leur science et leur technique, on fait de l'homme un mégalomane. la confusion atroce de notre époque est la conséquence de cette surestimation de la raison.
l'évolution de la peinture traditionnelle vers l'art concret, à partir de cézanne en passant par les cubistes, a maintes fois été expliquée, et ces explications historiques ont embrouillé le problème. brusquement, " selon les lois du hasard", vers l'année 1914, l'esprit humain a subi une transformation : un problème éthique s'est posé à lui.
l'art concret veut transformer le monde. il veut rendre l'existence plus supportable. il veut sauver l'homme de la folie la plus dangereuse : la vanité. il veut simplifier la vie de l'homme. il l'identifier avec la nature. la raison déracine l'homme et lui fait mener une existence tragique. l'art concret est un art élémentaire, naturel, sain, qui fait pousser dans la tête et le coeur, les étoiles de la paix, de l'amour et de la poésie. où entre l'art concret, sort la mélancolie, trainant ses valises grises remplies de soupirs noirs.
kandinsky, Sonia Delaunay, robert delaunay, magnelli, léger... furent parmi les premiers maîtres de l'art concret. sans nous connaître, nous avons travaillé en vue de même but. la plupart de ces oeuvres ne furent exposées que vers 1920. ce fut alors une éclosion de toutes les couleurs et de toutes les formes du monde. ces peintures, ces sculptures - ces objets - s'y virent dépouillés de tout élément conventionnel. dans tous les pays surgirent les adeptes de cet art nouveau. - l'art concret influença l'architecture, l'ameublement, le cinéma, la typographie.
à part des oeuvres exposées, certains travaux de duchamp, man ray, miro, ernst et plusieurs objets "surréalistes" sont également des oeuvres concrètes. dépourvus de tout contenu descriptif, onirique, littéraire, polémique, les travaux de ces artistes me semblent très importants dans l'évolution de l'art concret, car, par l'allusion, ils savent introduire dans cet art l'émotion psychique qui le fait vivre.
jean arp.